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Vom Grünggelloch zum Balzacher

„Wo wohnsch du?“ „Ade Quellstross, das esch em Bienstel. Chasch vom Bahnhof via Winkel e Leerber ond de e Hochspüel ond de chonnsch e Bienstel. Ond wo wohnsch du?“ „Am Chelehübelwäg, chasch vo de S-Kurve de Hinterhag doruf ond de ned ganz bes zode Muracherblöck.“


Flurnamen prägen unseren Alltag und dienen seit der ersten Besiedlung als Orientierung. Einige davon sind gebräuchlicher, andere werden im Alltag immer weniger verwendet. Aber wie sind diese Namen eigentlich entstanden? Und was haben sie für eine Bedeutung? Machen wir einen kleinen Spaziergang durch Gränichen:


Von Teufenthal her kommend treffen wir linkerhand auf den Mattenhof, also einen Hof, der sich inmitten von Matten (Wiesen) befindet. Gleich daneben befindet sich die Wässerig, hier wurde gewässert. Auf dem Balzacher nebenan kann die Balz, also das Paarungsspiel von Vögeln beobachtet werden. Im Pfendel etwas weiter nördlich haben Auswärtige gewohnt und vermutlich Abgaben in Form von Pfennigen an die Kirche machen müssen. Weiter oben in diesem Seitental hat man früher wohl oft Wölfe gesichtet. Das ist zumindest die Erklärung für den Flurnamen Wolfacher. Jetzt sind wir auf der Ausrodung, heute als Rütihof bekannt. Wieder runter geht es ins Grünggelloch, hier wollte wohl nichts so richtig wachsen, ist Grünggel doch etwas kleines, mangelhaft Entwickeltes. Auch Schweine wurden in Gränichen gezüchtet, davon zeugt das Moortel (Moore = Sau). So macht es auch Sinn, dass der Bifang, das eingezäunte Land, im Moortel liegt. Ausgangs Moortel treffen wir (südlich) auf den wohl bekanntesten Acker in Gränichen, den Zinggenacher. Die meisten werden schon Grüngut hier deponiert haben und bestimmt kamen bereits alle in den Genuss des bekannten Duftes von sich zersetzendem Material. Der Zinggen ist eine Bergnase, ein Vorsprung. Am nördlichen Ausgang des Moortels treffen wir auf den Muracher. Hier wurde ein römischer Gutshof gefunden, dessen Mauern (mur) noch im Mittelalter zu sehen waren. Wir kommen in die Nähe der Kirche und so treffen wir auf das Chilefeld und den Chilehübel (Hügel). Auch der Cheibenboden befindet sich hier, verendete Tiere (Cheibe) sollen hier vergraben worden sein. Weiter geht es Richtung Mitteldorf, den Hinterhag entlang, also hinter dem alten Dorfzaun. Das nächste Seitental auf der Westseite von Gränichen, abgetrennt durch den Manzenberg mit den Manzenblumen, den gelben Narzissen, ist das Gänse-Tal, heute bekannt als Gänstel/Genstel. Über die Matten von Bäni (Dorfname), also die Bänelimatten – vor allem den Fussballspielern bekannt - und über die Wyna geht es ins Rinetel/Rintel. Mit Rina war im althochdeutschen ein Topf/Hafen bzw. mit Rinna eine Rinne/Wasserleitung gemeint. Im Töndler kamen häufig Dornsträucher vor, diese gaben ihm vermutlich den Flurnamen (Dörnler). Beidseits der Wyna vom Vorstadtsteg bis zum Leerbersteg erstreckte sich die Ruus (von Runsse = Rinnsal, Wasserlauf, Bachbett), heute findet man die Ruus nur noch auf der Ostseite. Die Schiffländi, heute auf der westlichen Seite, war wohl eher im übertragenen Sinne gemeint. Denn Schiffe habe ich hier also noch nie anlanden sehen. Die Vorstadt hat ihren Namen möglicherweise weil sie vor steht. Der Flurname Leerber stammt wohl vom althochdeutschen Wort Lewer, was einen hügelartigen Aufwurf z.B. ein Grab beschrieb. Der Friedhof und das Beinhaus der alten Kirche lagen früher unmittelbar an den heutigen Leerber angrenzend. Beim Leerber trifft man auch auf das Bad, welches im Jahre 1828 seine Konzessierung als Heilbad erhielt. Der Schachen, von mittelhochdeutsch schache, war ein „einzeln stehendes Waldstück“ bzw. ein wild bewachsenes Ufer mit Sträuchern. Wenn wir wieder etwas in die Höhe gehen, kommen wir bei der Vogelhütte vorbei, wo ein Vogelwächter die Reben an den Abhängen zum Zil (=Grenze) hütete. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Vogelsang, einem Waldstück im östlichen Ortsteil, in welchem besonders viele Vögel zu hören waren. Von der Vogelhütte geht es weiter über den Bunacher, den Bohnen-Acker, welcher Gemeindeland war und an arme Gemeindegenossen verpachtet wurde. Wieder runter geht es durch das Thauwenthal also eine Mulde, in der der Schnee als erstes schmilzt, heute Taudel genannt. Nun sind wir im Bienstel, welcher entweder ein Riet war (also eine sumpfige Wiese) oder seinen Namen von bieten=schenken hat. Hier treffen wir auch auf Chalchdarre, also ein Kalkofen oder eine Kalkbrennerei. Weiter hinten in der Räckholdere hatte es wohl viel Wachholder. Wieder zurück an der Wyna, sind wir in der Wasserwändi. Wie der Name sagt, macht die Wyna hier eine abrupte Wendung. Etwas weiter südlich finden wir auch noch Chruumwoog, also krummes, wogendes Wasser, auf gut deutsch eine Flussbiegung. Via Tüele (delle = kleine Vertiefung im Gelände) kommen wir zum Haspel, dem Habs- oder Habichtstal und zum Schulthess. Dieses Stück Wald schenkte der österreichische Herzog einst im Jahre 1369 seinem Amtmann aus der Familie Schultheiss und im Jahre 1542 wurde es an die Stadt Aarau verkauft, der es noch immer gehört. Über den Hasenacher, wo – wer hätte das gedacht?- oft Hasen anzutreffen sind, gelangen wir ins Refental. Hier wurde wohl früher oft Hanf oder Flachs durch einen Kamm gezogen, ist dies doch die Bedeutung von reffen. An der Gemeindegrenze entlang treffen wir auf den Beerishübel, wo wir angeblich viele Beeren naschen können. Weiter geht es zum Sibe Zwingstei, dem Marchstein, der den Zusammenstoss der sieben Twinge (also Niedergerichtsgrenzen) Gränichen, Liebegg, Teufenthal, Trostburg, Dürrenäsch, Retterswil und Seon anzeigt. Wieder im Tal unten, kommen wir in die Bleien, also eine „feuchte, sumpfige Stelle am Fuss eines Abhangs, wo das aus dem Boden dringende Wasser keinen Abfluss findet“. Oder aber der Name kommt von Blöuwi = Schlaghammer für das plöuwen = stampfen des Flachses.


So gelangen wir wieder an den Ausgangspunkt unseres Spaziergangs, den Mattenhof. Aber das eigentliche Ende von Gränichen liegt im Zopf. Im mittelhochdeutsch bedeutete dies nämlich hinterstes Ende, Schwanz, Zipfel.



Abbildung 1 Flurnamenkarte Scan aus 'Dorfgeschichte Gränichen'


Quelle: Widmer-Dean, M., Gautschi, W., Lehner, K., Stirnemann, Ch., Zehnder, A., (2003). Dorfgeschichte Gränichen: Die Geschichte des Dorfes Gränichen von den Anfängen bis heute. Heimatvereinigung Gränichen. Suhr. S. 535-542.

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